Windschutzscheibe
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Die Verwaltung im Spiegel der Windschutzscheibe: Nicht genügend digitalisiert

Was die Windschutzscheibe Ihres Autos über die deutsche Verwaltung aussagt

In einer zunehmend digitalisierten Welt hinkt die deutsche Verwaltung hinterher, wie ein Blick auf die Windschutzscheiben unserer Autos deutlich macht. Von veralteten Feinstaubplaketten bis hin zu ineffizienten Anwohnerparkausweisen – zahlreiche Beispiele zeigen, wie dringend eine Modernisierung notwendig ist.

Die Umwelt- oder Feinstaubplakette

2006, also vor mittlerweile 18 Jahren, wurde die Feinstaubplakette eingeführt. Damals gab es nur Euro 4 als beste Schadstoffklasse. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit 2009 gibt es die Euro 5-, seit 2014 die Euro 6-Norm.

Leider hat der Gesetzgeber es verabsäumt, für Euro 5 und Euro 6 Plaketten in anderen Farben zu definieren, so dass auch diese Autos mit einer nicht mehr augenscheinlich unterscheidbaren grünen Euro 4-Plakette fahren. Dies hat zur Folge

  • Eine Kontrolle von Umweltzonen für höhere Klassen als Euro 4 ist faktisch nicht möglich. Laut ADAC ist zumindest in Stuttgart, München und Darmstadt eine effektive Kontrolle der Fahrverbote durch einen Blick auf die Plakette nicht (mehr) möglich. Fahrzeuge anhalten, Zulassungspapiere nach der Abgasnorm durchforsten und dann über die Zulässigkeit entscheiden ist aufwändig und personalintensiv. Automatisierte Kontrollen, beispielsweise durch Kennzeichenscan und automatisierter Nachfrage im Zentralen Fahrzeugregister beim Kraftfahrbundesamt – auch für Fahrzeuge, die in anderen EU-Staaten zugelassen sind - sind rechtlich nicht ermöglicht worden, ungeachtet ihrer deutlich höheren Effizienz und Sinnhaftigkeit.
  • Jeder Fahrer eines ausländischen Pkw muss bei der Durchfahrt durch Deutschland so eine Feinstaubplakette haben – sonst droht ein Bußgeld von 100 Euro.
  • Innerhalb Europas haben wir, wenn dieses schlechte Beispiel Schule macht, ziemlich zugeklebte Windschutzscheiben. Dabei befindet sich der deutsche Staat allerdings in Gesellschaft. So gibt es in Frankreich das Certificat qualité de l’Air, welches eine völlig andere Systematik hat. Immerhin ist es kleiner, billiger und berücksichtigt die Existenz höherer Abgasnormen als Euro 4, aber es ist dennoch nur in Frankreich gültig. Warum es innerhalb der Europäischen Union nicht möglich ist, einheitliche und vor allem nur eine einzige, unionsweit gültige Abgasplakette einzuführen, erschließt sich dem Bürger nicht.
  • Und so müssen auch e-Autos, die ohne jeden Zweifel jede Abgasnorm einhalten, so eine grüne Feinstaubplakette führen. Inländische e-Autos wohlgemerkt, die am auf „E“ endenden Kennzeichen bereits erkennbar sind – für die ausländischen hat sich die deutsche Bürokratie eine eigene Plakette, die sogenannte E-Plakette ausgedacht. Natürlich wiederum rein national „gelöst“, es existiert keine einheitliche EU-weite Kennzeichnung von e-Autos.

Anwohnerparkausweise

Anwohnerparkausweise werden von einzelnen Kommunen ausgegeben und unterscheiden sich erheblich. Seit Oktober 2020 haben die Bundesländer die Gebührenhoheit, Baden-Württemberg hat sie im Juli 2021 an die Gemeinden übertragen. Eine Kontrolle der Papieranwohnerparkausweise erfolgt im Normalfall nicht elektronisch bzw. digital. Zwar haben die Kommunen sicher jeweils eine Datenbank, in der sich das zum Anwohnerparkausweis zugehörige Kennzeichen findet, aber eine digitale Kontrolle durch Kennzeichenerkennung scheint nicht zu existieren. Seit dem 5. Juli 2024 gibt es in Baden-Württemberg die rechtlichen Voraussetzungen für digitale Parkausweise und für eine digitale Kontrolle, bis diese flächendeckend realisiert ist, ist es aber wohl noch ein langer Weg. Und bis dahin ist exzessiver Personaleinsatz erforderlich. Allein die Landeshauptstadt München beschäftigte hierfür 250 Personen, Stand 2019. Nicht gerechnet freiwillige und ehrenamtliche Helferlein wie der zu Bekanntheit gekommene „Anzeigenhauptmeister“.
Eine digitale Kontrolle auf Basis erfasster Kennzeichen ist technisch wie organisatorisch kein Problem: London überwacht seit über 20 Jahren seine Citymaut mit nur 197 Kameras.

In etlichen Städten ist es möglich, Anwohnerparkausweise für beliebige Autos zu erhalten. Es reicht eine Bestätigung des Fahrzeughalters (z. B. in München). Andere Städte sind hier erheblich restriktiver und verlangen, dass das Auto auf den Anwohner zugelassen ist, er einen Leasingvertrag hat oder es ein Firmenauto ist, das er exklusiv nutzt (z. B. Wien).

In manchen Städten, bspw. in München, wird zwar abgefragt, ob ein privater Stellplatz vorhanden ist – die Angabe kann allerdings behördenseitig nicht effektiv überprüft werden, da es keine Meldepflicht gibt, die einer bestimmten Person einen Tiefgaragenplatz genau zuweist.

Gerade noch vom EuGH verhindert: die Mautvignette

Digital fortgeschrittene Staaten wie Österreich oder die Tschechische Republik haben ihre Mautvignetten schon lange digital angeboten, Staaten wie Ungarn hatten niemals Klebevignetten, sondern von Anbeginn an seit 2000 nur digitale Vignetten.  Der Europäische Gerichtshof verhinderte im Juni 2019 eine deutsche Autobahnmaut – Wäre diese wohl auch eine Klebevignette für die Windschutzscheibe geworden? Zwar soll sie als E-Vignette angedacht gewesen sein, aber in Anbetracht des real existierenden Digitalisierungsniveaus darf dies bezweifelt werden.

Fazit

Andere sind digital unterwegs im Auto, nur Deutschland klebt weiter ihrer Aussagekraft entleerte Umweltplaketten auf die Windschutzscheiben und legt Anwohnerparkgenehmigungen aus Karton hinter dieselben. Das Potenzial zur Entlastung der zuständigen Polizeibehörden und kommunalen Ordnungsverwaltungen ist sehr hoch. Man fragt sich, wann der Staat diese Potenziale angesichts klammer Kassen und Personalmangel zu heben versucht?