Die Registermodernisierung, eine unterschätzte Herkulesaufgabe?
Ein Rückblick auf wesentliche „lessons learnt“ der Neugestaltung der Registerlandschaft in Österreich 2001 bis heute
Die Registermodernisierung, d. h. die Umsetzung des RegMoG, wird in Deutschland seit 2021 betrieben. Mehr als vier Jahre danach ist es Zeit für einen Blick darauf, ob das Konzept so umsetzbar ist und, angelehnt an Erfahrungen aus anderen Staaten, vielleicht die eine oder andere Aufgabe unterschätzt wurde.
Governance der Registermodernisierung
In Deutschland stellt für Digitalisierungsprojekte die Governance stets eine große Herausforderung dar. So schreibt das BVA „Um die Registermodernisierung weiter voranzubringen, wurde die bisher bestehende Programmstruktur zum 1. Juli 2025 in eine Struktur überführt. Diese ist im Staatsvertrag zur Errichtung, den Betrieb und der Weiterentwicklung des Nationalen Once-Only-Technical-System (NOOTS) vorbehaltlich dessen Ratifizierung festgehalten.“
Im Staatsvertrag steht, dass der IT-Planungsrat, d. h. die 17 CIOs der Länder und des Bundes unter Beteiligung der jeweiligen Fachministerkonferenz grundsätzliche Entscheidungen treffen. Einfachere Entscheidungen trifft eine Steuerungsgruppe NOOTS, die aus dem Bund und sechs (!) Ländern besteht. Es bedarf aber anscheinend noch einer dritten Ebene, denn „Der IT-Planungsrat benennt unterhalb der Steuerungsgruppe eine Gesamtleitung NOOTS und richtet zur Unterstützung bei der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) eine Geschäftsstelle ein.“
Dazu gibt es noch: „Der IT-Planungsrat richtet eine fachlich koordinierende Stelle bei der FITKO ein“, sowie schlussendlich das Bundesverwaltungsamt als sog. Betriebsführende Stelle. Durch diese Maßnahmen wird die bisherige Programmstruktur abgelöst. Michael Pfleger, seit Oktober 2023 Gesamtprogrammleitung der Gesamtsteuerung Registermodernisierung, ist nun Gesamtleiter NOOTS, einem aktuellen Beitrag von ihm nach zu schließen.
Jedenfalls ist festzuhalten, dass mitten im Projekt nach vier Jahren die gesamte Governance massiv verändert wurde und die neue Governance keine einheitliche Führung mit einem starken und verantwortlichen Gesamtprojektleiter sicherstellt. Die Gesamtleitung ist hierarchisch eher niedrig angesiedelt; besondere Durchgriffsrechte oder ein direkter Zugang zum Bundeskanzler oder Digitalminister sind nicht dokumentiert.
In Österreich wurde hingegen das Thema der Registermodernisierung schon sehr früh als eines der Kernthemen der 2003 gegründeten „Plattform Digitales Österreich“ verfolgt, die im Bundeskanzleramt angesiedelt ist, und von CIO Univ.-Prof. Dr. Posch sowie dem damaligen Exekutivsekretär VdZ-Autor Christian Rupp für die Wirtschaftskammer und Roland Ledinger bzw. Mag. Peter Kustor für die Verwaltung geleitet wurde.
Beibehaltung dezentraler Register und Herausforderungen daraus
Die Registermodernisierung wird den Zustand zigtausender dezentraler Register nicht beenden, sondern fortschreiben und versuchen, trotz dieser Vielfalt eine funktionierende Datenbasis für e-Government zu schaffen. Diese Vielfalt ist so komplex, dass selbst die staatliche Webseite registerlandkarte.de keine Registerlandkarte zeigen kann. Nimmt man hier zum Vergleich die österreichische Registerlandkarte, so ist sie verhältnismäßig einfach gehalten:
Anhand dieser Registerlandkarte Österreichs lässt sich zeigen, was die hauptsächlichen Herausforderungen für die Registermodernisierung in Deutschland sein werden.
Datenbereinigung – der unterschätzte und nicht kalkulierte Aufwand
Die bayerische Staatsregierung formuliert auf ihren Webseiten zur Registermodernisierung dieses Problem sehr treffend: „Ein Nachname wie Kovačić könnte beispielsweise in verschiedenen Registern auch als Kovacic oder fälschlicherweise als Kovaćić geführt werden. Ein Doppelname wie Hans-Jürgen könnte an anderer Stelle als erster und zweiter Vorname gelten. Eine Adresse in der Professor-Messerschmitt-Straße könnte auch unter „Prof.-Messerschmitt-Str.“ registriert sein.“
Dies verhindert Österreich, indem das Land ein zentrales, vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen geführtes Adressregister hat, welches die offizielle Schreibweise und Existenz von Adressen vorgibt. Und ein zentrales Personenstandsregister leistet das Gleiche für Namen. Diese Register sind Bestandteil des sogenannten „Registerkerns“, der für Personen und Unternehmen zentrale Register und eine Datenbereinigung vorschrieb sowie für alle Behörden die verpflichtende Nutzung allein dieser Daten normierte.
Der notwendige Aufwand für eine Bereinigung der Daten wird anscheinend auf den offiziellen Webseiten zur Registermodernisierung nicht thematisiert bzw. problematisiert. Der Bundesrechnungshof hingegen hat in seinem Bericht über die Rolle des Bundesinnenministeriums bei der Registermodernisierung dazu festgehalten: „Bei den registerführenden Stellen entstehen erhebliche zusätzliche Aufwände, wenn nicht zuordbare Datensätze im schlimmsten Falle händisch bereinigt werden müssten. Die Umsetzungsfrist des RegMoG bis zum Jahr 2028 wäre gefährdet.“
Dabei geht er von den Erfahrungen mit dem Nationalen Waffenregister (NWR) aus, bei denen bei 10 % der Datensätze keine Zuordnung über den Identitätsdatenabruf möglich war, Zitat „Die Ergebnisse des NWR als Pilotregister zeigen, dass selbst bei einem Register mit erwarteter guter Datenqualität 10 % der Personendatensätze mit IDA keine Zuordnung möglich waren.“ Dies lässt sich auch so interpretieren, dass wir bei 10 % der Schusswaffenbesitzer letztendlich nicht wissen, um wen es sich handelt.
Inwieweit registerführende Kommunen motiviert sind, die Datenbereinigung in Zeiten knapper Haushalte und des demografischen Wandels unbezahlt durchzuführen, sei dahingestellt.
Wenn z. B. eine kleine Kommune mit ca. 6.300 Einwohnern hier ebenfalls nur 10 % über angenommen nur 10 lokale Register hat, wären das 6.300 zu bereinigende Datensätze. Bei einem Aufwand von 10 Minuten zur Klärung und Bereinigung sind das 63.000 Minuten oder 1.050 Stunden oder 131,25 Arbeitstage – Nettoarbeitszeit. Das entspricht wohl einer Vollzeitarbeitskraft für ein Kalenderjahr. Da dieser Aufwand dezentral anfiele und keine verbindliche Deadline – etwa für eine Migration in ein Zentralregister mit einer Deadline – hat, wird er weder geplant noch verfolgt noch bezahlt.
Verfügbarkeit und Sicherheit
Damit e-Government funktioniert, müssen die entsprechenden Datenbanken hochgradig verfügbar sein. Es ist offensichtlich, dass es einfacher ist, einen zentralen Datenbestand mit zwei oder drei parallel in Echtzeit gespiegelten Backups zu betreiben als zigtausend z. B. Melderegister. Diese Lektion haben auch die hochgradig dezentralisierten wie autonomen Volks- und Raiffeisenbanken bzw. Sparkassen verinnerlicht, die deshalb seit Jahrzehnten für alle Mitglieder zentrale Rechenzentren und zentrale Datenhaltung betreiben.
Auswertbarkeit für Zwecke des Controllings und der Beauskunftung
Fragen wie z. B. „Wie viele gültige Reisepässe gibt es per heute 12:00 Uhr?“ müssen durch Abfrage und Aggregation aus dezentralen Registern zigtausender Passbehörden beantwortet werden. Nimmt man das österreichische Identitätsdokumentenregister, so kann eine solche Anfrage mit wenigen Mausklicks beantwortet werden.
Once-Only – geht das dezentral überhaupt?
Die Umsetzung des Once-Only-Prinzips, z. B. das Vorausfüllen von Online-Formularen nach erfolgter Identifikation und Authentifikation, setzt voraus, dass entweder die Adresse nur ein einziges Mal gespeichert ist oder alle in behördlichen Informationssystemen gespeicherten Adressen der Person völlig identisch sind und eine berechtigte Änderung der Adresse automatisch auf alle anderen gespeicherten Adressen übertragen wird. Ein einfaches Gedankenexperiment zeigt, dass dies nicht so einfach umzusetzen ist:
Die Adresse eines z. B. neu zu approbierenden Arztes in Österreich wird nicht ins Gesundheitsberuferegister eingetragen, sondern anhand der Identifikationsdaten (ID Austria oder eIDAS-Identifikationsmittel) aus dem Zentralen Melderegister übernommen. Im Falle Deutschlands erfolgt eine Eintragung in das entsprechende dezentrale Register, z. B. in eines von vier Zahnarztregistern der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württembergs. Inwieweit diese Register überhaupt Bestandteil des Projekts Registermodernisierung sind, ist unbekannt. Dass es einfacher ist, aus einem Zentralen Melderegister an ein zentrales Gesundheitsberuferegister eine Adresse zu schicken als aus ca. 5.300 dezentrale Melderegister an mindestens 32 Ärzteregister zu senden, ist einleuchtend.
To Dos auf dem Weg zur deutschen Registerlandschaft
Folgende Aufgaben erscheinen auf Basis der über zwei Jahrzehnte Erfahrung mit Registermodernisierung in Österreich vordringlich:
- Eine Governance-Struktur schaffen, welche einen direkten Durchgriff ermöglicht.
- Zentrale Register als einen Single Point of Truth, alternativ ein dem höheren Risiko tausender dezentraler Register angepasstes Risikomanagement.
- Schaffung einer übergeordneten Data-Warehouse-Struktur, welche eine Datenbasis für Controlling darstellt – und Fragen wie „Wie viele Reisepässe haben wir heute ausgestellt?“ beantworten kann.
Die Registermodernisierung kann auf dem gewählten deutschen Sonderweg gelingen – aber sie ist mit ungleich höheren Aufwänden und Risiken behaftet.