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Shakehands statt Strafverfolgung

Die neuesten Ratschläge der taz für unsere Justiz

Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als sei das Bedauern über die Festnahme von Daniela Klette (heute 65 Jahre alt) in der Redaktion der taz größer als bei der Gesuchten selbst. Der Meldungen der Polizei über den erfolgreichen Zugriff werden von der taz als „Selbstbeweihräucherung" kritisiert und in einem Artikel mit der Überschrift „Härte statt Vernunft" wird wortreich die – letztendlich erfolgreiche – Arbeit der Strafverfolgungsbehörden beklagt. Die RAF habe sich doch 1998 aufgelöst – „also eine alte Geschichte". Schwamm drüber. Meint man bei der taz.

Und dann wird es geradezu absurd: „Dabei wollte die drei vermutlich nur ein ganz bürgerliches Leben führen; ihre Straftaten, die sie dann noch verübt haben sollen, dienten dem Lebensunterhalt im Untergrund, weil sie ja aus dem Untergrund nicht auftauchen konnten.“ Wieso konnten sie nicht auftauchen? Seit wann ist das verboten?

Sollte wohl heißen: Jene Verbrechen, die dem untergetauchten Trio aktuell noch zur Last gelegt werden, gehen eigentlich auf das Konto des Staates! Hätte dieser Ende der 90er Jahre erklärt, dass er darauf verzichtet, die notwendigen strafrechtlichen Konsequenzen wegen früherer Taten zu ziehen und eine Art RAF-Amnestie zu erlassen, hätten die drei (Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub) im Wege einer Spontanbekehrung fortan ein ganz bürgerliches, jedenfalls straffreies Leben geführt. Dieses Argument ließe sich natürlich auf alle Straftäter erstrecken, die im Untergrund leben und weitere Straftaten zur Sicherung der Lebensführung begehen. Aber so weit wollte man wohl selbst bei der taz nicht gehen. Es bestünde ja die Gefahr, dass dieses „Argument" nicht nur auf Gesuchte aus dem linksextremen Milieu angewandt werden könnte, sondern auch bei Tätern von gewaltbereiten Rechtsextremisten. Das ginge natürlich gar nicht.

Und mit der naheliegenden Frage, warum sich die drei eigentlich nicht spontan den Strafverfolgungsbehörden gestellt haben, um dem anhaltenden Verfolgungsdruck zu entgehen, wollte man sich in der taz erst gar nicht beschäftigen. Das hat man dann den Leserinnen und Lesern in der Kommentarfunktion überlassen, von denen sich viele differenziert und sachlich geäußert haben. Jedenfalls hielt sich dort die Begeisterung über die Festnahmeempörung der taz stark in Grenzen.

Hauptvorwurf des Autors: Der Staat hatte alle Zeit dem RAF-Trio „einen Rückweg in die Legalität" anzubieten – ihnen also die vielzitierte Hand zu reichen: Shakehands statt Strafverfolgung.

Bleibt die Frage, warum das Stichwort „Legalitätsprinzip" an keiner Stelle des taz-Artikels auch nur den Hauch einer Erwähnung fand. Dieses Prinzip gehört zu den tragenden Elementen des Strafverfahrensrechts. Es besagt, dass unsere Staatsanwaltschaften verpflichtet sind (!) beim Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat Ermittlungen aufzunehmen und – falls genügend gerichtsfeste Beweise ermittelt werden konnten, die den Tatverdacht erhärten – Anklage zu erheben. Das Legalitätsprinzip soll Rechtsgleichheit und Gerechtigkeit im Strafrecht/bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sicherstellen und Willkür und Ermessensmissbrauch vorbeugen.

Natürlich kommt nicht jede (mutmaßliche) Straftat zur Anklage. Viele Verfahren werden eingestellt, weil sich der Verdacht nicht erhärten ließ, mit oder ohne Auflage – alles streng nach den Vorgaben der StPO.

Diese sieht allerdings die Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens „nach Vollendung des 65. Lebensjahres" oder „nach langer Zeit im Untergrund" ganz ausdrücklich nicht vor und bei besonders schweren Tatvorwürfen erst recht nicht. Und daran wird sich auch nichts ändern. Das wollen wir mal hoffen.

Nebenbei: Die finanziell nicht auf Rosen gebettete taz wirbt wieder einmal um finanzielle Unterstützung. Das ist ihr gutes Recht. Argument „Guter Journalismus entsteht nicht aus dem Nichts". Da ist was dran. Dann heißt es: „Mit 5 Euro sind sie dabei". Ob der Artikel „Härte statt Vernunft" dabei hilft die taz finanziell zu stabilisieren? Ich bin mir da nicht so sicher.

Der Autor ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestags und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.