Tandem für den Wandel: Bundesverwaltung meets New Work
Work4Germany gewinnt den Public Leadership Award 2025 in der Kategorie „Personal & Zukunftskompetenzen“
Verwaltung der Zukunft: Herzlichen Glückwunsch zum Public Leadership Award 2025! Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie und Ihr Projekt?
Hannah Bergmann: Vielen Dank für die Glückwünsche! Wir haben uns als Allererstes natürlich wahnsinnig gefreut – dass unsere Arbeit gesehen wird, dass es eine Öffentlichkeit für das gibt, was wir tun. Und dass es auch eine Auszeichnung ist für all die Energie, die in das Programm fließt.
Aus meiner Sicht ist es natürlich ein Gewinn, wenn digitale Transformation nicht nur technisch betrachtet wird, sondern wenn auch anerkannt wird, dass es dabei um neue Arbeitsweisen geht, um andere Arbeitskulturen und um neue Formen der Zusammenarbeit. Ich freue mich sehr, wenn das Thema dadurch mehr Relevanz bekommt und in den Vordergrund rückt.
Generell agieren wir als Team außerdem viel im Hintergrund. Unsere Fellows und unsere Teilnehmenden stehen im Vordergrund, aber das Programmteam selbst wird eher selten wahrgenommen. Umso schöner war es, dass unser Team durch die Auszeichnung eine Bühne bekommen hat.
VdZ: Könnten Sie unseren Leser*innen kurz erklären, was hinter dem Work4Germany Fellowship steckt und was der Auslöser für das Projekt war?
Bergmann: Gerne. Work4Germany funktioniert so, dass wir Menschen aus anderen Sektoren als der Verwaltung – vor allem aus dem Privatsektor – für sechs Monate in die Bundesverwaltung holen. Das sind Leute, die man als Expert*innen für neue Arbeit, Transformation oder Projekt- und Prozessmanagement bezeichnen kann. Diese Fellows arbeiten dann gemeinsam mit Partner*innen aus der Bundesverwaltung an konkreten Herausforderungen. Sie bringen eine andere Sichtweise mit und gehen Aufgaben oft aus einer ungewohnten, frischen Perspektive an. Sie stellen beispielsweise etablierte Routinen infrage, führen Nutzenden-Interviews, identifizieren Stakeholder und begegnen Herausforderungen unbefangener und experimentierfreudiger, auch mit weniger Scheu vor Hierarchien.
Ziel ist es, dass dieses anwendungsorientierte Wissen langfristig in der Verwaltung verankert wird, neue Prozesse gemeinsam entstehen und nicht von außen „aufgepfropft“ werden. Dafür ist es entscheidend, dass die Fellows vor Ort arbeiten, den Verwaltungsalltag kennenlernen und ihre Methoden so anpassen, dass sie anschlussfähig sind und von Mitarbeitenden übernommen werden können.
Zur Entstehung: Unsere Gründerin Christina Lang, ebenfalls CEO des DigitalService, hat selbst mal eine Art Fellowship gemacht, das war im Auswärtigen Amt für ein halbes Jahr. Danach war für sie klar: Das braucht es viel öfter. Es braucht Menschen, die mitarbeiten, nicht nur von außen beraten, die wirklich im System sind und dabei helfen, Veränderungen anzustoßen. Und dieser Grundgedanke ist geblieben. Wir haben ihn einfach über die Jahre weiterentwickelt.
Es braucht Menschen, die mitarbeiten, nicht nur von außen beraten, die wirklich im System sind und dabei helfen, Veränderungen anzustoßen.
VdZ: Kann man sagen, dass die Fellows eher aus bestimmten Bereichen kommen oder ist es sehr bunt gemischt?
Bergmann: Es ist tatsächlich sehr divers. Viele kommen aus großen Unternehmen und haben dort Veränderungsprozesse oder digitale Projekte begleitet. Andere kommen eher aus dem Agenturumfeld, haben große Kampagnen geleitet oder als Product Owner gearbeitet.
Dann gibt’s noch eine Gruppe, die zunächst in der Privatwirtschaft war und sich dann weitergebildet hat – zum Beispiel in Coaching, Organisationsentwicklung oder verwandten Themen. Die sind heute oft selbstständig und bringen wahnsinnig viel Handwerkszeug mit.
Was sie alle eint, ist dieser Drang nach Sinn: Ich möchte das, was ich kann, für etwas Gutes einsetzen. Oder auch eine große Neugier: Wie funktioniert eigentlich Verwaltung? Was passiert im Ministerium? Genauso wie die Bereitschaft, eigene Vorurteile zu hinterfragen.
VdZ: Wie werden diese Fellows ausgewählt?
Bergmann: Wir haben feste Bewerbungszeiträume. In der letzten Runde hatten wir zum Beispiel knapp 200 Bewerbungen für 15 Stellen. Die Auswahl ist natürlich nicht einfach, aber wir haben inzwischen einen sehr etablierten Auswahlprozess. Wir wissen recht schnell, ob jemand geeignet ist oder nicht. Ganz wichtig ist für uns, dass die Fellows mit einer wertschätzenden Haltung in die Verwaltung gehen. Wenn im Interview schon durchklingt, dass jemand kein gutes Haar an der Verwaltung lassen wird, dann ist das für uns ein Ausschlusskriterium.
Auch die Partner*innen aus der Verwaltung bewerben sich bei uns. Wir schauen hier ebenfalls ganz genau, ob das passt, ob hier eine Bereitschaft für Veränderung da ist und salopp gesagt, nicht nur eine IT-Fachkraft gesucht wird. Es geht also nicht nur um den physischen Arbeitsplatz, der vorhanden sein muss, sondern vor allem darum, dass das Programm wirklich aktiv unterstützt wird.
VdZ: Zurück zur Award-Kategorie Personal & Zukunftskompetenzen: Welche konkreten Maßnahmen werden bei Work4Germany ergriffen, um Kompetenzentwicklung zu unterstützen?
Bergmann: Unser Ansatz unterscheidet sich von klassischen Weiterbildungen. Vieles passiert über das tägliche Arbeiten im Tandem zwischen Fellow und Partner*in in der Verwaltung. Die Fellows starten meist damit, sich die aktuelle Situation im Projekt anzuschauen. Wo steht das Team? Was sind die Herausforderungen? Und dann entwickeln sie gemeinsam, was es braucht: Vielleicht neue Austauschformate, vielleicht Projektstruktur, Stakeholder-Mapping oder ein Zeitplan mit klaren Meilensteinen.
Diese Tools und Arbeitsweisen übertragen sich nach und nach, einfach durchs gemeinsame Tun. In unseren regelmäßigen Check-ins mit den Partner*innen fragen wir auch immer: Was habt ihr gelernt? Und oft sind das kleine, aber wirkungsvolle Dinge: „Ich habe endlich verstanden, warum Timeboxing in Meetings sinnvoll ist.“ Oder: „Unser Kanban-Board war gar kein echtes – jetzt machen wir’s richtig.“
Es geht nicht um das Abarbeiten von festen Kompetenzlisten, sondern um bedarfsorientiertes Lernen. Und wir unterstützen das natürlich auch aus dem Fellowship-Team heraus: mit Formaten zu Rollenklärung, Risikomanagement, Stakeholderarbeit – und je nach Jahrgang auch mit spezifischen Inputs, z. B. zu interner Kommunikation oder KI.
VdZ: Sie haben vorhin das Wort Herausforderungen erwähnt. Gibt es Dinge, die in fast allen Projekten auftauchen?
Bergmann: Es gibt verschiedene Ebenen, auf denen Herausforderungen auftreten. Für uns als Fellowship-Team sind das vor allem übergeordnete Entscheidungen, die im Hintergrund getroffen werden und nicht beeinflussbar sind – Prioritäten verschieben sich, Projekte werden umstrukturiert, manchmal fällt ein*e Fürsprecher*in weg. Gerade dieses Jahr durch die vorgezogene Bundestagswahl hatten wir viele Wechsel in Leitungspositionen. Das hat dazu geführt, dass Teams sich immer wieder neu aufstellen mussten und Fragen aufkamen: Gibt es dieses Projekt überhaupt noch? Müssen wir es neu legitimieren?
Dazu kommen natürlich zwischenmenschliche Reibungen, was ganz normal ist, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kontexten zusammenarbeiten. Aber gerade da passiert ja was. Wenn jemand merkt, dass er oder sie mit einer bestimmten Art der Kommunikation nicht klarkommt, dann ist das auch eine Lerngelegenheit. Wir unterstützen da mit verschiedenen Mediationsformaten, in denen wir solche Situationen auch wieder auflösen können.
Und dann gibt’s die ganz praktischen Herausforderungen, etwa das technische Setup. Oft gibt es keine Tools für kollaboratives Arbeiten, besonders ressortübergreifend wird es schnell schwierig. Eine Fellow hat mal gesagt: „Ich habe Arbeit noch nie so umständlich erlebt.“ Für viele ist das ein Kulturschock. Doch genau das ist Teil der Erfahrung: zu lernen, wie man unter realen Bedingungen trotzdem wirkungsvoll arbeitet.
VdZ: Welche nächsten Schritte sind für das Fellowship geplant?
Bergmann: Wir entwickeln das Fellowship kontinuierlich weiter – auch basierend auf dem, was wir aus den letzten Jahrgängen gelernt haben. Für die kommende Runde wollen wir zum Beispiel einen größeren Schwerpunkt auf die Referatsentwicklung und -führung legen. Das Referat ist in vielen Häusern die zentrale Arbeitseinheit und wir sehen, dass gerade hier oft ein hoher Bedarf besteht, neue Arbeitsweisen zu etablieren, Rollen zu klären oder auch die Teamkommunikation zu verbessern. Deshalb unterstützen unsere Fellows auch verstärkt bei der Teamentwicklung oder bringen Coaching-Elemente für Führungskräfte mit ein. Gleichzeitig entwickeln wir gezielte Formate, die sich an Referatsleitungen richten, um sie in ihrer Führungsrolle noch besser zu begleiten.
Außerdem möchten wir mehr ins Projekt- und Prozessmanagement eintauchen. Viele Verwaltungen stehen vor der Herausforderung, konkrete (digitale) Vorhaben umzusetzen, aber es fehlt oft an methodischer Unterstützung. Unsere Fellows bringen hier gezielt ihre Expertise ein, etwa bei der Strukturierung von Projekten, bei agilen Arbeitsweisen oder bei der Entwicklung passender Prozesse. Es geht darum, wirklich operativ mitzuarbeiten und gemeinsam ins Tun zu kommen.
VdZ: Zum Abschluss: Was bedeutet das Programm langfristig für die Bundesverwaltung?
Bergmann: Viele Behörden suchen händeringend nach qualifiziertem Personal, aber oft stehen formale Hürden im Weg. Nicht alle können direkt in die Verwaltung einsteigen, weil sie nicht „das Richtige“ studiert haben, kein Jura, keine VWL, oder vielleicht auch nicht die erwarteten Abschlussnoten vorweisen können. Über das Fellowship schaffen wir eine Möglichkeit, trotzdem mitzugestalten. Einige Fellows bleiben danach sogar in der Verwaltung, viele bleiben zumindest verwaltungsnah. Das ist ein echter Gewinn: für die Verwaltung und für all jene, die sich mit ihrer Erfahrung und Haltung einbringen wollen.