Bosbach

Die Ampel und die Sicherheit – Teil II

Mehr Fortschritt wagen! Aber auch mehr Sicherheit? Eine Analyse des Kapitels „Innere Sicherheit“ im Koalitionsvertrages der sog. Ampelkoalition

„Papier ist geduldig!“, sagt der Volksmund meistens dann, wenn er sich nicht sicher ist, ob das, was auf Papier niedergeschrieben wurde, auch den Praxistest besteht. Anders formuliert: Gute Absichten und vollmundige Versprechen müssen mit der Realität nicht immer deckungsgleich sein. Zurückhaltend formuliert.

Koaltions-„Verträge“

Das gilt leider auch für Koaltions-„Verträge“ – die Anführungszeichen sind hier ganz bewußt gesetzt, denn ein Vertrag im rechtlichen Sinne (mit wechselseitig ggf. sogar einklagbaren Rechten und Pflichten) ist ein Koalitionsvertrag gerade nicht. Wenn eine Seite, aus welchen Gründen auch immer, gegen Geist und Inhalt des Vertrages verstößt, würde eine Leistungs- oder Unterlassungsklage der anderen Parteien des Vertrages schon an der fehlenden Zuständigkeit eines jeden Gerichtes scheitern. Vermutlich käme die Klagepartei mit ihrer Klage-Schrift noch nicht einmal am Pförtner eines Gerichtes vorbei. Im Grunde ist ein Koalitionsvertrag nur eine politisch bedeutsame, aber eben rechtlich nicht einklagbare, politische Selbstverpflichtung der Koalitionäre. Ein politischer Streit müßte dann eben politisch entschieden werden – und wenn das nicht gelingt, wird aus einer Koalition schnell eine K.O.alition.

Zunächst bringen die Koalitionäre unseren Sicherheitskräften viel Vertrauen entgegen, jedenfalls formal, rhetorisch. Unsere Sicherheitsbehörden verdienen „Respekt und Anerkennung“ und für Polizistinnen und Polizisten sei „Respekt und Wertschätzung" wichtig.

Wer würde hier widersprechen?

So ganz scheinen die Koalitionäre den Sicherheitskräften des Bundes jedoch nicht zu trauen, denn sie wollen eine „pseudonyme Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten“  einführen – hoffentlich nicht auch noch für verdeckt-operierende Ermittler. Der früher häufig vorgebrachte Einwand, dies sei nicht verfassungskonform, sollte allerdings nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht länger tragfähig sein. Dies dennoch als verstecktes Misstrauensvotum gegenüber den Sicherheitskräften des Bundes zu werten, würden die Koalitionäre natürlich empört zurückweisen – also muß die Sache politisch entschieden werden.
Mit der „Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten für die Polizeien des Bundes“ erfüllen SPD und FDP einen langjährigen Herzenswunsch der Grünen, die immer schon der Ansicht waren, die Möglichkeit von Dienstaufsichtsbeschwerden und/oder der gerichtlichen ggf. sogar strafrechtlichen Überprüfung polizeilichen Handelns sei nicht ausreichend, da müsse es noch mehr an Kontrollmöglichkeiten geben.

Motto: Klar haben wir Vertrauen, aber auch nicht zu viel

Gemeint ist wohl ausdrücklich NICHT ein Polizeibeauftragter wie in NRW, der als „Anwalt für unsere Polizistinnen und Polizisten“ (so NRW IM Herbert Reul) fungieren soll, sondern ein Amtsträger, der die „Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens“ erleichtern soll. So die Grünen in einem Antrag vom Februar 2019. Wieso durch diese  Stelle mehr aufgeklärt werden könnte als durch den Dienstherrn und/oder die Strafverfolgungsbehörden mit ihren Befugnissen nach der StPO bleibt allerdings offen.
Aber vielleicht wird uns das ja eines Tages doch noch offenbart, zumal zur Zeit noch unklar ist, auf welcher Rechtsgrundlage diese Stelle geschaffen werden soll. Eines dürfte allerdings schon jetzt klar sein: Gut dotiert wird sie auf jeden Fall sein.

Der Autor ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für Wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.