Bosbach/ Wegweiser

Alle Jahre wieder! 12 oder 14 Jahre?

Zur Debatte über das Strafmündigkeitsalter

Kaum ein kriminalpolitisches Thema kehrt so regelmäßig zurück wie die Frage nach dem richtigen Strafmündigkeitsalter. Nach schweren Gewalttaten durch Kinder oder Jugendliche flammt die Debatte zuverlässig neu auf. Oft mit viel Empörung, aber wenig neuen Erkenntnissen.

Zu den noch unerforschten Mysterien der Politik gehört auch das Phänomen, dass wir bei bestimmten Themen mit unschöner Regelmäßigkeit immer wieder die gleichen Debatten führen, mit immer wieder dem gleichen Resultat. Das erinnert ein wenig an Rita Mae Brown (Sudden Death) und das berühmte Zitat: Wahnsinn ist, immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten".

So wird seit Jahrzehnten immer wieder darüber diskutiert, ob das Strafmündigkeitsalter wie jetzt bei 14 Jahren bleiben, oder aber auf 12 Jahre (oder noch niedriger?) herabgesetzt werden sollte.

Aktueller Anlass: Ende 2025 überfallen in der Dortmunder Nordstadt zwei 13-jährige Jungs einen Kioskbesitzer und verletzen ihn schwer. Das Tatwerkzeug, das beim Opfer zum Verlust eines Daumen führte, war eine Machete. 

Völlig verständlich,  dass die Tat viele Menschen aufwühlte, zumal die Medien umfangreich berichteten. Meistens mit dem Tenor: Trotz nachgewiesener schwerer Straftat mit erheblichen Folgen für das Opfer,  müssen die jungen Täter keine Konsequenzen fürchten. Denn sie sind ja noch nicht strafmündig. 

STRAFRECHTLICHE Konsequenzen scheiden in der Tat aus, denn beide waren zum Zeitpunkt der Tat noch keine 14 Jahre alt – aber ohne Konsequenzen wird die Tat ganz sicher nicht bleiben. 

Im Einzelnen:

  • 14 Jahre ist das Strafmündigkeitsalter in den meisten Ländern der EU. In Portugal und Luxemburg liegt die Schwelle bei 16. Anders in Irland, den Niederlanden,  Belgien und Ungarn. Auch die UN empfehlen 14.
  • Es gibt keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass ein besonders niedriges Alter zu weniger Straftaten von 12 und 13-jährigen führt.
  • Was, wenn ein 11-jähriger eine schwere Straftat begeht? Soll dann die Altersgrenze auf 11 oder gar 10 Jahre herabgesetzt werden?
  • Es ist schlicht falsch, dass Strafunmündigkeit mit Konsequenzlosigkeit gleichzusetzen ist. Anders formuliert: straflos heißt nicht folgenlos.

Der Jugend- und Familienhilfe stehen viele Reaktionsmöglichkeiten offen, bis hin zur Inobhutnahme gemäß Paragraph 42 SGB VIII , der Unterbringung in einer (geschlossenen) Einrichtung. 

Ja, es ist nicht leicht zu verstehen, dass selbst bei so schweren Taten wie in Dortmund, die Verbüßung einer Jugendstrafe in einem Jugendgefängnis de lege lata nicht möglich sein soll, aber wäre "Gefängnis" für 12- oder 13-Jährige tatsächlich die richtige Reaktion? Es kommt jetzt ganz entscheidend darauf an, ob der Staat die ihm zur Verfügung stehenden Reaktionsmöglichkeiten Konsequenzen ausschöpft und nicht das Signal aussendet: "Soooo schlimm war das alles gar nicht!" War es doch!

Und nach der Verantwortlichkeit der Eltern darf auch ruhig mal gefragt werden. Die Erziehung zur Gewaltlosigkeit muss zu Hause beginnen. Was dort versäumt wird, kann der Staat, wenn überhaupt, nur mühsam korrigieren. 

Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für Wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.

Der 8. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 29. bis 30. Juni 2026 im Hotel de Rome in Berlin statt.