Verwaltung der Zukunft: Sie sind seit 2024 Geschäftsführer von CrowdInsights. Was ist die zentrale Mission Ihres Unternehmens und was hat Sie persönlich zum Thema Bürgerbeteiligung gebracht?
Lukas Wolf: CrowdInsights wurde mit der Mission gegründet, Entscheidungen besser zu gestalten, indem alle relevanten Perspektiven einbezogen werden. Wir entwickeln dafür Lösungen, mit denen möglichst viele Menschen an Entscheidungen beteiligt werden können. Und mit denen sie nachvollziehen können, welchen Einfluss ihr Beitrag hatte.
Ich selbst habe vorher beruflich vor allem in der Jugendpartizipation gearbeitet. Daraus nehme ich einiges für CrowdInsights mit. Denn viele Prinzipien aus der Jugendbeteiligung gelten auch für Erwachsene: Sie wollen mitgestalten, Wirksamkeit erleben und idealerweise, dass Beteiligung auch Spaß macht.
VdZ: Was verstehen Sie unter moderner Bürgerbeteiligung und wo sehen Sie die größten Potenziale digitaler Formate im Vergleich zu klassischen Verfahren?
Wolf: Ich würde gar nicht so stark zwischen modernen und klassischen Formaten unterscheiden. Wichtig ist, das schwindende Vertrauen zwischen Bürger*innen auf der einen und Politik und Verwaltung auf der anderen Seite wieder aufzubauen. Projekte in Kommunen sollten als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden. Dafür braucht es Transparenz, Wirksamkeit und eine breite Einbindung der Bevölkerung. Digitale und analoge Formate ergänzen sich da: Es sind unterschiedliche Kanäle, über die ich jeweils andere Menschen erreiche und in einem anderen Format kommuniziere. Die Kanäle sollten aber gleichwertig genutzt werden und wir empfehlen, Beiträge aus Vor-Ort-Veranstaltungen ebenso digital verfügbar zu machen und digital auszuwerten.
Der digitale Kanal wird in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen, da sich auch die älteren Generationen immer mehr dort aufhalten. In einer von uns durchgeführten, nicht-repräsentativen Umfrage mit mehr als 500 Bürger*innen wünschen sich fast Zwei-Drittel der Befragten, über Social Media über Bürgerbeteiligungsprojekte informiert zu werden. Auch bei den über 55-Jährigen war Social Media die häufigste Nennung. Die Zeit, in der ausschließlich über die Zeitung und Informationsveranstaltungen informiert wird, ist vorbei.
VdZ: Gibt es dabei Zielgruppen, die besonders gut oder besonders schwer zu erreichen sind?
Wolf: Online-Beteiligung hat den großen Vorteil, eine größere und breitere Zielgruppe zu erreichen. Etwa Eltern oder Berufstätige, die nicht zu festen Zeiten bei Versammlungen dabei sein können. Auch Jugendliche und junge Erwachsene erreiche ich eher online, wenn ich nicht direkt in die Schule oder die Ausbildungsstätte gehe. Das ist schon ein wichtiger erster Schritt, um aus dem Kreis der „Immergleichen“ auszubrechen.
Damit das gelingt, braucht es auch Engagement und Offenheit in der Verwaltung. Gerade schwer erreichbare Zielgruppen – etwa bildungsferne Menschen – erfordern besondere Ansätze. Hier hilft alles, was Beteiligung einfacher macht: etwa weniger Text, intuitivere Bedienung oder Sprachassistenten. Und wir müssen dahin, wo diese schwer erreichbaren Zielgruppen tatsächlich sind: in die Social-Media-Apps, an die öffentlichen Plätze und in den Sozialraum.
Wenn Bürger*innen dann noch sehen, dass ihre Beiträge von der Politik oder Verwaltung aufgegriffen werden, steigt das Vertrauen und auch die Beteiligungsbereitschaft. Oft ist es jedoch so: Man macht bei einer Umfrage mit, hört aber nie wieder etwas davon. Vielleicht gibt es später mal ein Konzept oder einen Beschluss, aber den muss ich mir meist selbst aktiv suchen. Genau da setzen wir an: Wir bieten technische Lösungen, um diesen Informationsfluss sicherzustellen und den Bürger*innen aufzuzeigen, wie sie zum Ergebnis beigetragen haben.
VdZ: Vertrauen ist zentral in Beteiligungsprozessen. Wie gewährleisten Sie Datenschutz und Transparenz auf Ihrer Plattform?
Wolf: Datenschutz ist aus meiner Sicht vor allem für Kommunen ein relevantes Thema, auch wenn er natürlich für alle gilt. Bei uns ist das recht klar geregelt: Wir sind ein deutsches Unternehmen, und hosten unsere Anwendung bei der Hetzner-Online-GmbH in Deutschland und der EU. Damit sind die grundlegenden infrastrukturellen Voraussetzungen erfüllt.
Viele andere nutzen etwa AWS oder Azure – US-Anbieter, die zwar europäische Cloud-Standorte haben, aber damit immer noch nicht vollständig vor US-Zugriff geschützt sind. Gerade heute ist digitale Souveränität ein wichtiges Thema – das gilt unbedingt auch für hochsensible personenbezogene Daten wie politische Meinungen, Weltanschauungen oder die sexuelle Identität.
Transparenz ist dabei unser Markenkern. Wir kommen aus einer Kultur der offenen Fragen, aus der wir Erkenntnisse ableiten, die zu besseren Entscheidungen führen, die immer nachvollziehbar sind. Bürger*innen sollen sehen können: „Ich habe das gesagt, daraus wurde diese Erkenntnis gewonnen, deshalb wurde so entschieden.“ Das unterstützen wir technisch, aber Kund*innen müssen diesen Weg auch mitgehen wollen.
VdZ: Können Sie Projekte nennen, bei denen Ihre Plattform besonders wirksam zur Bürgerbeteiligung beigetragen hat? Was waren die Erfolgsfaktoren?
Wolf: Aktuell berichte ich besonders gern aus Hoyerswerda, einer Stadt in Sachsen, die viele meist mit den rassistischen Ausschreitungen der 90er verbinden. Die Stadt arbeitet intensiv daran, dieses Image zu ändern und setzt stark auf Beteiligung. Was das dort so erfolgreich macht, ist der breite Rückhalt in der Stadtverwaltung: Vom Oberbürgermeister bis in die Fachabteilungen stehen alle hinter dem Ansatz. Jeder weiß, es gibt die Plattform und man überlegt konkret, wie man Bürger*innen einbeziehen kann. Das führt zu hoher Beteiligung und regelmäßig neuen Projekten.
Eine Besonderheit in Sachen Bürgerbeteiligung ist sicherlich die Landeshauptstadt Stuttgart. Gemeinsam mit ihr entwickeln wir zurzeit den Relaunch des Beteiligungsportals. Es soll noch nutzerfreundlicher werden, neue Standards im Design setzen und letztendlich zu mehr und hochwertiger Online-Beteiligung führen. Damit das gelingt, setzen wir auf einen ko-kreativen Prozess: Mit allen betroffenen Stellen in der Stadtverwaltung und gemeinsam mit einem Beteiligungsbeirat sammeln wir Anforderungen und gehen in User-Tests. Darüber hinaus haben wir Hunderte Bürger*innen im Rahmen einer Online-Umfrage beteiligt. Die Ergebnisse setzen wir Stück für Stück um und testen erneut mit der Zielgruppe.
VdZ: Seit Ende 2024 gehört CrowdInsights zur AKDB-Gruppe. Wie fügt sich Ihre Lösung in das digitale Ökosystem der AKDB ein?
Wolf: Die AKDB ist ein etablierter und vertrauenswürdiger Partner in der kommunalen IT, besonders in Bayern. Wir arbeiten schon länger projektbezogen zusammen, etwa beim digitalen Bürgerhaushalt für Neufahrn.
Damals haben wir gesagt: Es ergibt keinen Sinn, wenn z. B. Bauhof-Mitarbeitende einen eigenen Zugang zur Beteiligungsplattform brauchen. Stattdessen sollen die Mitarbeitenden im eigenen System arbeiten. Daraufhin haben wir gemeinsam mit der AKDB-Tochter digitalfabrix eine Schnittstelle gebaut, damit Beiträge direkt beim zuständigen Sachbearbeiter landen.
Zum AKDB-Konzern gibt es viele Schnittmengen, die wir erst nach und nach erschließen, wie beim digitalen Zwilling. Der ist besonders in Bayern weit verbreitet und bietet durch 3D-Modelle und dem Zusammenführen kommunaler Daten neue Möglichkeiten für die Planung und Kommunikation in den Städten. Bürger*innen können sich darüber gut und anschaulich informieren. Deshalb entwickeln wir aktuell eine wechselseitige Schnittstelle zwischen dem digitalen Zwilling der RIWA GmbH und unserer Plattform.
VdZ: Welche technischen oder methodischen Entwicklungen sehen Sie für die kommenden Jahre? Experimentieren Sie bei CrowdInsights bereits mit neuen Formaten?
Wolf: Wir experimentieren zurzeit sehr viel, da wir uns zum Ziel gesetzt haben, einen neuen Standard für digitale Beteiligung zu setzen.
Auf Seiten der Verwaltung sehen wir vor allem die Herausforderungen, Beteiligungsprojekte schlank und einfach zu administrieren. Das betrifft die Einrichtung der Beteiligungsvorhaben und im Besonderen die Auswertung von großen Vorhaben, die mit immer weniger Personal bewältigt werden müssen. Darum bieten wir künftig smarte Analysen per Knopfdruck – zum Beispiel mit Live-Auswertungen mit Diagrammen oder einer intelligenten Analyse der Freitextantworten.
So wird die Durchführung von Beteiligungsprojekten für Verwaltungen deutlich leichter und schneller – und wir denken, dass es damit auch mehr Beteiligungsprojekte geben kann, bei denen Menschen mitmachen können.
Wir stellen uns außerdem die Frage: Wie bekommen wir mehr Menschen dazu, sich zu beteiligen? Die Antwort ist: Beteiligung muss einfach sein und Spaß machen. Wir experimentieren deshalb mit Gamification-Elementen für Bürger*innen. Außerdem entwickeln wir die neue Plattform "mobile first", weil das die Lebensrealität der Bürger*innen abbildet. Beim Umbau eines Spielplatzes gehen Eltern vielleicht an einem QR-Code vorbei, scannen diesen, und sind direkt im Beteiligungsprojekt am Smartphone. Vielleicht gibt es sogar ein spielerisches Format, das die Kinder direkt mit einbezieht.
Ein klarer Trend ist leider auch die schwierige Haushaltslage vieler Kommunen. Beteiligungsprojekte werden oft nur noch umgesetzt, wenn sie durch große Förderprogramme finanziert werden. Daher überlegen wir, wie wir auch eine einfachere, kostengünstigere Version entwickeln können, die mehr Akteursgruppen offensteht. Mehr Informationen finden Sie bald auch auf unserer Website www.crowdinsights.de oder auf unserem LinkedIn-Profil, wo wir über Fortschritte und den geplanten Start informieren.